Grundhaltung

Meine Grundhaltung in den Bereichen von Beratung, Therapie und Supervision lässt sich beschreiben als integriert tiefenpsychologisch und sozialtherapeutisch. Sie ist im besten Sinne eklektizistisch in ihrer Kombination lebensweltorientierter, psychoanalytischer und systemischer Perspektiven. Ausgehend von einem psychosozialen Verständnis von Problemlagen und Interventionsnotwendigkeiten, findet die psychische Innenwelt der Menschen ebenso Berücksichtigung wie die Außenwelt ihrer sozialen und institutionellen Kontexte – was die wachsame Bezugnahme auf gesellschaftliche Umbrüche und Machtverhältnisse mit einschließt.

Meine Grundhaltung ist in einem Koordinatensystem verortet, das gebildet wird
  • auf der psychodynamischen Koordinate von einer sozialwissenschaftlich sich verstehenden Psychoanalyse, die individuelle Leidenserfahrungen im Kontext von Beziehungsdynamik und sozialen Bedingungen begreift und
  • auf der soziodynamischen Koordinate von einer kritischen Sozialwissenschaft, die die gesellschaftliche Bedingtheit von Leidenserfahrungen zu Bewusstsein bringt.
Zwei Zitate, in denen ich Elemente meiner Grundhaltung wiederfinde:

Das erste Zitat ist von Horst-Eberhard Richter und stammt aus jenem Jahr, in dem ich meine berufliche Tätigkeit in der Sozialen Arbeit aufgenommen habe:

„Indessen glaube ich mich nicht darin zu täuschen, daß die Klienten in ihrer Mehrzahl in psychosozialer Beratung und Therapie alles andere als eine Wiederholung der Strukturen und Mechanismen ihrer Alltagswelt wünschen. Sie stellen sich nicht eine Betreuung vor, in der sie gehorsam nach undurchschaubaren Programmen funktionieren und sich wie sonst hierarchischem Druck ergeben sollen. Ihnen schwebt in der Beratung eher eine Gegenwelt vor, in der sie sich als Person fühlen können, der man zuhört, die man auch in ihren Phantasien und Träumen, in ihren Unfähigkeiten und Verrücktheiten ernst nimmt.“
(H.-E. Richter: Beratung in unserer Gesellschaft, 1985)

Im zweiten Zitat beantwortet Pierre Bourdieu die Fragen nach Wirkung und Verantwortung von Sozialwissenschaft(lern):

„Die Mechanismen, die das Leben leidvoll und oft unerträglich machen, zu Bewußtsein zu bringen, heißt noch keineswegs, sie auszuschalten. Widersprüche sichtbar zu machen, bedeutet nicht, sie zu lösen. Aber bei aller Skepsis hinsichtlich der gesellschaftlichen Wirksamkeit soziologischer Botschaften kann man ihnen dennoch nicht jegliche Wirkung absprechen, eröffnen sie doch jenen, die leiden, einen Weg, ihr Leiden auf gesellschaftliche Ursachen zurückzuführen und sich solcherart vom Gefühl eigenen Verschuldens zu befreien.“
(P. Bourdieu: Post-Scriptum; in: ders. et al.: Das Elend der Welt, 1997)